Das 4-Stufen-Modell im Detail

Im Folgenden soll das vorgeschlagene Reformmodell ausführlich dargestellt werden. Dabei werden vor allem auch wichtige Detailfragen beantwortet

Wie verhalten sich Hochschulstudium und Zugangsvoraussetzungen für die reglementierten juristischen Berufe zueinander?

 

Wie ist das Hochschulstudium zu organisieren, damit der Baccalaureus Juris ein echter berufsqualifizierender Abschluss ist?

 

Wie ist das einheitliche Staatsexamen zu strukturieren, damit es seine Funktion als aussagestarkes Kriterium zur Bestenauslese umfassen derfüllt und die länderübergreifende Vergleichbarkeit der Noten gesichert ist?

Welche Chancen zur Profilierung bieten sich den Hochschulen und ihren Studierenden durch die Verlagerung des Schwerpunktstudiums auf ein eigenes Magister-Programm?

 

Wie verhalten sich Baccalaureus- und Magister-Studium zueinander, wann können welche Leistungsnachweise erbracht werden?

 

Wie muss das Referendariat aufgebaut werden, um eine optimale Praxisausbildung zu vermitteln, die zugleich eine individuelle Schwerpunktbildung, insbesondere in Richtung Anwaltschaft ermöglicht?

 

1. Schritt: Hochschulausbildung und Voraussetzung für die reglementierten juristischen Berufe werden getrennt.

Das Hochschulstudium endet mit Baccalaureus Juris (LL.B.) und gegebenenfalls zusätzlich mit dem Master of Laws (LL.M.). Voraussetzung für den Zugang zu den reglementierten juristischen Berufen sind ein einheitliches Staatsexamen und ein strukturierter juristischer Vorbereitungsdienst. Ein Baccalaureus Juris ist Voraussetzung für die Teilnahme am Einheitlichen Juristischen Staatsexamens, nicht aber der Magister Juris, der eine eigenständige Zusatzqualifikation darstellt.Aus Sicht der reglementierten juristischen Berufe, die den Maßstab für die Gestaltung der deutschen Juristenausbildung setzen müssen, bedeutet dies:

 

Zugang zu den reglementierten juristischen Berufen erhält nur, wer den Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert hat.

 

Zugang zu diesem Vorbereitungsdienst erhält nur, wer das theoretische Rüstzeug hierfür mitbringt. Dies wird durch eine bestandene Staatsprüfung nachgewiesen. Staatsprüfung, weil es sich um eine staatliche Zugangsbeschränkung handelt, die ein faires, vergleichbares und hohes Anforderungsprofil bedingt und nicht von den viel schwieriger zu überprüfenden und zu vergleichenden Anforderungen einzelner Hochschulstudiengänge und Hochschulprüfungen abhängen darf.

 

Zugang zu dieser Staatsprüfung erhält jeder, der ein grundständiges juristisches Studium mit einem Baccalaureus abgeschlossen hat. Dieses Studium entspricht im Grundsatz dem heutigen Jurastudium an der Hochschule. Insbesondere wird das Studium nicht auf drei Jahre verkürzt, was zu einer nicht vertretbaren Verringerung der Anforderungen führen würde. Bleibt es aber grundsätzlich bei einem vierjährigen Studium, dann bedeutet die Umstellung auf Bachelor oder Baccalaureus gerade nicht, dass unzumutbare Eingriffe in die Hochschulausbildung vorgenommen werden müssten oder dessen Wissenschaftlichkeit in Gefahr geriete. Im Gegenteil, durch den eigenen Abschluss wird das Gewicht der Hochschulausbildung sogar verstärkt. Dass sich auch die Hochschulausbildung selbst verbessern ließe, soll nicht bestritten werden, ist aber nicht zwingend mit der hier vorgeschlagenen Systemreform verbunden, sondern sollte im Wettbewerb der Hochschulen um die besten Studierenden Herausforderung jeder einzelnen Bildungseinrichtung sein.

 

Ein Magisterabschluss hingegen ist für den Zugang zur Staatsprüfung nicht erforderlich. Dieser dient vielmehr der persönlichen Profilbildung des einzelnen Studierenden, insbesondere der wissenschaftlichen (je nach Studiengang aber auch der praktischen) Spezialisierung, und er sollte als Angebot der Hochschulen auch diesen überlassen bleiben. Gerade die Ausbildung zum Einheitsjuristen erfordert keine Festlegung auf einen bestimmten Bereich der Juristerei.

Dies bedeutet, dass sich das hier vorgeschlagene System von Baccalaureus und Magister einführen ließe, ohne das juristische Hochschulstudium in seinen Grundfesten zu erschüttern. Alle gegen einen dreijährigen Bachelor zu Recht geäußerten Bedenken verlieren damit an Gewicht.

 

2. Schritt:  Das vierjährige Studium zum Baccalaureus Juris bereitet zugleich auf das einheitliche Juristische Staatsexamen und ein Magisterstudium vor. Der Baccalaureus wird aufgrund studienbegleitend zu erbringender Leistungen vergeben. Semester sind Trimestern vorzuziehen. 4 Praktika geben Einblick in die Praxis.

Die in dem Zwischenbericht zum Bologna-Prozess geäußerten Befürchtungen, eine studienbegleitende Prüfungsstruktur stünde „in scharfem Gegensatz zur bisherigen Juristenausbildung“ und deren Ansatz des „Lernens in Wellen“, sind nur unter einer Voraussetzung zutreffend: Dass Bachelor und Master das erste Staatsexamen bzw. die erste Prüfung ersetzen. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, dass dieser Schluss weder zwingend noch sinnvoll ist.

Schon das heutige Studium der Rechtswissenschaften ist ein Studium mit Modulen (Grundkurse, Vertiefungskurse, Spezialkurse, Seminare, etc.) und studien­begleitenden Prüfungen (Scheine, Hausarbeiten, Semester­abschluss­klausuren, Seminararbeiten). Würden all diese Ergebnisse in die Note des Baccalaureus eingehen, so würde dieser ein umfassendes Gesamtbild über die Studienleistungen des Absolventen abgeben, nicht bloß eine Momentaufnahme wie im Falle der heutigen ersten Prüfung.

Daher sollte auch keine Abschlussprüfung im Rahmen des Baccalaureus gefordert werden, insbesondere keine Bachelorarbeit. Eine solche qualifizierte wissenschaftliche Arbeit gehört zum einen strukturell in das Masterstudium. Zum anderen gibt es mit der Einheitlichen Juristischen Staatsprüfung bereits eine punktuelle Prüfung des gesamten im Studium erworbenen Wissens und der erlernten Fähigkeiten. Das gleiche muss nicht zweimal geprüft werden. Dies ist in der Tat eine Besonderheit des juristischen Studiums, dass es etwa von anderen Fächern unterscheidet, bei denen eine Bachelor-Arbeit durchaus sinnvoll erscheinen mag.

An dieser Stelle sollen nur einige wenige Anmerkungen zur möglichen Struktur dieses Studiums gemacht werden. Grundsätzlich sollten nämlich die Hochschulen weitestgehende Freiheit in ihrer Studienorganisation erhalten. Das setzt auch eine Zurückhaltung des Staates in den Bereichen Berichtswesen und Akkreditierung voraus. Die Ausbildung und die Forschung sollten an den Hochschulen im Vordergrund stehen, nicht das Erfüllen von erdrückenden Formalia. Das Leistungspunktesystem verbunden mit dem Erfordernis, umfassend auf die Inhalte des Staatsexamens vorzubereiten, sollte an staatlicher Vorgabe fast schon genügen. Denn echte Innovationen setzen Freiheit im einzelnen voraus und die Möglichkeit, diese als Wissenschaftler und als Hochschule in neue Ideen umzusetzen. Insbesondere sollten innovative Modelle von Studienaufbau und Stoffvermittlung nicht durch zu starke Akkreditierungsvoraussetzungen behindert werden. Was gelehrt und gelernt werden muss, sollte feststehen, nicht jedoch, wie es gelehrt und gelernt wird.

Die folgenden Elemente erscheinen jedoch als Mindestanforderungen sinnvoll:

Da das Staatsexamen weiterhin das Studienziel für den Großteil der Studierenden sein wird, muss auf dieses punktgenau vorbereitet werden, d.h. die Inhalte des Staatsexamens müssen gemeinsam mit den Hochschulen daraufhin abgestimmt werden, was vernünftigerweise gelernt werden muss und in der zur Verfügung stehenden Zeit gelernt werden kann. Wenn das Staatsexamen jedoch zugleich die "Theorie der Praxis" prüfen will, also die Fähigkeit, anschließend qualifizierte im Referendariat in der Praxis Erfahrung zu sammeln, müssen auch die Lehrinhalte stärker darauf abgestellt sein, insbesondere auch auf die Tätigkeit des Anwalts. Die Empfehlungen der Bundesrechtsanwaltskammer für einheitliche Lehrinhalte in der Anwaltsausbildung sollten hierzu ebenso als Vorbild herangezogen werden wie die Vorschläge des Deutschen Anwaltverein. Es gilt herauszufiltern, was für alle Studierenden sinnvoll erscheint (insbesondere die stärkere Betonung prozessualer Fragen und praktischer Abläufe) und was einer eventuellen Spezialausbildung während des Referendariats oder im Anschluss an das Studium zum Einheitsjuristen vorbehalten bleiben kann.

Jeder Studierende sollte im übrigen schon während des Studiums vier Praktika absolvieren, die anders als heute eine stärkere Strukturierung und Überprüfung erfordern. Da bereits im Studium die Theorie der Praxis als Vorbereitung auf das Einheitliche Juristische Staatsexamen zu vermitteln ist, sollten die Studierenden auch einen nachweislichen Einblick in die Praxis erhalten. Denkbar wäre das folgende System:

Das erste Praktikum wird nach Vorbild beispielsweise Freiburgs (dort ist es jedoch eine freiwillige Option) als Gruppenpraktikum ausgestaltet, das in den ersten Semesterferien verpflichtend für alle stattfinden sollte. Jeweils ca. 20 Studierende durchlaufen als Gruppe verschiedene Stationen durch die gesamte Bandbreite der regulierten juristischen Berufe und des Justizwesens. Sie besuchen beispielsweise einen Strafrichter, der ihnen morgens eine Einführung in die am Tag zu verhandelnden Fälle gibt, sie wohnen diesen bei und besprechen sie anschließend mit dem Richter und vielleicht auch mit einem der beteiligten Strafverteidiger. An einem anderen Tag geschieht das gleiche mit einem Amtsrichter für Zivilsachen. Ein weiteres Mal in den Berufungsinstanzen. Ebenso beim Verwaltungsgericht. Die Studierenden besuchen eine kleine und eine große Anwaltskanzlei. Sie verbringen einen Tag bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, in der Gerichtsmedizin, begleiten Gerichtsvollzieher, wohnen einem Zwangsversteigerungstermin bei, lassen sich von einem Notar die Praxis der Vertragsgestaltung erläutern, usw. Sie erhalten einen ganz praktischen Einblick in alle Bereiche, die sie in den folgenden Jahren theoretisch durchdringen werden. Und sie werden diese umso leichter durchdringen, wenn ihnen die Praxis zumindest etwas vertraut ist. Oder um es mit dem Bild der Pfeife von Magritte zu sagen, unter dem "Ceci n'est pas une pipe" steht: Was man sieht ist in der Tat keine Pfeife, sondern nur das Bild einer solchen. In gleichem Maße kann das Jurastudium nicht das juristische Leben, die Praxis der juristischen Arbeitswelt sein, sondern nur ein Bild von ihr vermitteln. Ein Praktikum der geschilderten Art würde diesem Bild Leben einflößen. Wie der Zug an einer echten Pfeife. Nur gesünder. 

Zwei weitere Praktika sind dann bei einem Gericht und bei einem Anwalt zu absolvieren. Das vierte Praktikum sollte nach Wahl der Studierenden – also auch im Ausland – abgeleistet werden können. Alle Praktika sollen nur dann anerkannt werden, wenn der Studierende neben dem Zeugnis einen konkreten Praktikumsbericht vorlegen kann, in dem die geleisteten Arbeiten und die gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse wiedergegeben werden. Dieser Bericht dient nur am Rande der Fremdkontrolle. Vor allem ermöglicht er es den Studierenden, ihre Erfahrungen niederzulegen, zu wiederholen und damit vor dem Vergessen zu bewahren.

Zusätzlich wird vorgeschlagen, die Gerichts-, Anwalts- und Wahlpraktika nach Möglichkeit als Doppelpraktika auszugestalten oder dieses zu empfehlen, d.h. zwei Studierende absolvieren ein gemeinsames Praktikum. Dies hat vielfache Vorteile für alle Beteiligten, von denen der erste bereits der wichtigste ist: Gemeinsam macht Rechtswissenschaft mehr Freude und was mehr Freude macht, bringt den größeren Lernerfolg. Zwei Studierende werden ihre Fragen zudem jeweils zuerst dem anderen stellen, der sie dann in vielen Fällen wird beantworten können. Und dabei gilt: Am meisten lernt derjenige, der etwas erklären muss. Dies wiederum entlastet den Ausbilder und erhöht zugleich die Qualität der Arbeitsergebnisse.

Vier Jahre (= 240 ECTS-Punkte) reichen aus, umfassend auf das Staatsexamen vorzubereiten. Das Mehr an Methodik, das nach dem hier vorgeschlagenen Modell erforderlich ist, wird durch ein Weniger an Spezialisierung im grundständigen Studium ausgeglichen. Da die Schwerpunktausbildung nunmehr zum eigenständigen Magisterstudium wird, findet sich hier ausreichend Zeit für eine weitere Profilierung.

Die Leistungspunkte (als Einheit für die tatsächlich erbrachte quantitative Leistung des Studierenden), die pro Semester zu erlangen sind, werden unter anderem auch durch „Ferien“hausarbeiten und Praktika erbracht. Wer sein Studium gut organisiert, der oder die wird nach spätestens 3 ½ Jahren die nötigen Punkte erreicht haben und kann sich noch ein weiteres halbes Jahr gezielt auf das Examen vorbereiten. Wie beim Magister gilt im Rahmen der konsekutiven Studiensysteme auch für den Baccalaureus die Regel: Nicht die Studienzeit ist entscheidend, sondern die nachgewiesenen Studienleistungen. Wer diese etwas schneller erbringt, ist ebenso erfolgreich wie der Student, der zusätzliche Leistungen in anderen Gebieten erlangt oder neben dem Studium andere Projekte verfolgt. Bei der Studiendauer sollte also eine gewisse Flexibilität gewahrt bleiben. Immerhin gründet sich das in Deutschland so dringend erforderliche Unternehmertum kaum auf Gründerpersönlichkeiten, die ihre Studienzeit ausschließlich in Vorlesungen und Bibliotheken verbracht haben. Den Studierenden sollte daher die Freiheit gelassen werden, das Studium auch zur allgemeinen Lebensbildung, zum Blick über die fachlichen Grenzen des eigenen Studiums hinweg oder zur Verfolgung von eigenen Unternehmungen zu nutzen. Selbst wenn es dann viereinhalb oder fünf Jahre dauert.

Ca. 70 % der Studienanforderungen sollten von der Hochschule inhaltlich klar definiert und vorgegeben sein, nicht zuletzt im Hinblick auf die Anforderungen des Staatsexamens. Weitere 30 % sollten jedoch der Wahlfreiheit des Studierenden überlassen bleiben und dem speziellen wissenschaftlichen Angebot der Hochschule. Im Sinne einer umfassenden Ausbildung könnte sogar daran gedacht werden, dass 20 % der Leistungspunkte aus Bereichen stammen müssen, die nicht der Rechtswissenschaft im engeren Sinne zuzuordnen sind (also Sprachen, Wirtschaftswissenschaft, Philosophie, etc.). Dies würde wieder zu einem breiter angelegten Studium führen, als es heute im Druck von Freischuss und Repetitorium stattfindet. Die Schaffung eines eigenen Hochschulabschlusses und dessen Aufwertung zu einem der drei Elemente im Rahmen der späteren Bestenauslese wird zudem dazu führen, dass diese Studienanforderungen von den Studierenden auch ernst genommen werden.

Schlüsselqualifikationen können im übrigen schwerlich durch spezielle Veranstaltungen vermittelt werden, wie sie gerade neu eingeführt wurden. Vielmehr sollten die „normalen“ Unterrichtseinheiten so gestaltet werden, dass sie zugleich Schlüsselqualifikationen vermitteln, insbesondere durch den verstärkten Einsatz von Kurzreferaten, Diskussionen und kurzen Themenarbeiten, wie sie im anglo-amerikanischen Studium typisch sind. Sprachfähigkeiten werden nicht dadurch besser, dass man Dozenten dazu nötigt, auf Englisch eine Vorlesung zum deutschen Recht zu halten. Vielmehr muss es Ziel der Hochschulen zum einen sein, vermehrt auch ausländische Wissenschaftler im Rahmen von Blockveranstaltungen, insbesondere in Seminaren in den Lehrplan zu integrieren. Zum anderen sollte es für den normalen Studierenden zur Selbstverständlichkeit werden, einen Teil seines Studiums im Ausland zu verbringen – vorzugsweise einen LL.M. an einer ausländischen Hochschule zu erlangen.

Von einer Umstellung auf Trimester ist hingegen abzuraten. Verlangt man von den Studierenden in Semesterferien die Anfertigung von wissenschaftlichen Arbeiten (Haus- und Seminararbeiten) und das engagierte Ablegen von Praktika, dann sollte die verbleibende Zeit für Urlaube und zur Erholung zur Verfügung stehen. Semesterferien im Jurastudium waren noch nie reine Ferien, die sich einfach verkürzen ließen. Aber auch und gerade aus Sicht der Professoren und damit aus Sicht des wissenschaftlichen Anspruchs der Hochschulen darf die vorlesungsfreie Zeit nicht verkürzt werden, indem die Schlagzahl des Studiums auf drei Trimester erhöht wird. Wer während des Semesters herausragende Lehrleistungen erbringt, der wird verhältnismäßig wenig Zeit für die wissenschaftliche Forschung haben. Diese Zeit kann und muss die vorlesungsfreie Zeit bringen. Sie wird von allen benötigt, Studierenden wie Professoren. Die vorlesungsfreie Zeit zu verkürzen wäre ein Angriff auf die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaften.

 

3. Schritt: Ziel des Einheitlichen Juristischen Staatsexamens ist die Überprüfung der Befähigung zum Vorbereitungsdienst, also sowohl die erforderlichen Kenntnisse des deutschen materiellen wie des prozessualen Rechts sowie seiner Anwendung. Dabei sollte es keinen Mut zur Lücke in der Breite geben.

Nur wer breites Grundwissen hat und die rechtswissenschaftliche Methode beherrscht, der wird sich später in die für den jeweiligen Fall erforderliche Tiefe einarbeiten können. Voraussetzung ist, dass er oder sie weiß, wo angefangen werden muss zu bohren. Der gute Jurist sollte den Ort kennen, die Landkarte des Rechts überblicken können. Aus diesem Grund sind allen Vorschlägen eine Absage zu erteilen, die den Mut zur Lücke in der Breite propagieren, die schon die Frage stellen, ob bestimmte Themen vom Prüfungsstoff vollständig ausgenommen werden dürfen. Die Antwort darauf muss lauten: Nein. Die Breite des Wissens wird dem jungen Juristen nie wieder vermittelt, die Tiefe hingegen wird er in seiner Profession erst später wirklich ergründen. Dies bedingt unter anderem, Randgebiete nicht entweder in eigenen Veranstaltungen zu lehren und zu prüfen oder ganz auszulassen, sondern diese zusammenzufassen, etwa die Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts. Der gute Jurist sollte wissen, dass es sie gibt und was sie im Wesentlichen regeln wollen. Beherrschen muss er sie selbstverständlich noch nicht. Das Prinzip muss lauten: Umfassende Breite, exemplarische Tiefe.

Diese Anforderung muss sich im Examen widerspiegeln. Dieses sollte daher inhaltlich wie formal die ganze Palette der im Studium erlernten Inhalte und Fähigkeiten abprüfen. Dazu gehören neben den klassischen Rechtsgebieten aus dem Zivilrecht (vor dem Hintergrund der Anforderungen der Praxis auch Erb- und Familienrecht, Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht und Kreditsicherungsrecht), dem Strafrecht und dem Öffentlichen Recht insbesondere auch das Arbeitsrecht und das Steuerrecht. Es geht also nicht darum, einzelnen in Form von Wahlfächern oder Schwerpunktstudiengängen einzelne Bereiche in aller Tiefe zu vermitteln, sondern allen Studierenden das in der Breite näher zu bringen, was in den Grundzügen allen bekannt sein muss.

Neben diesen umfassenden Inhalten sollte aber auch die Form der Prüfungsarbeiten ausgeweitet werden, indem die Klausurformen aus dem bisherigen ersten und zweiten Staatsexamen zusammengeführt werden. Gutachten, Urteil, Schriftsatz und Rechtsgestaltung sollten gleichberechtigt und vorhersehbar geprüft werden.

Da es für den Lernerfolg sehr abträglich ist, wenn gelernt werden muss, was dann nicht geprüft wird, sollte der Prüfungsumfang entsprechend ausgeweitet werden. Dies dient auch dazu, die Auswirkung von Ausrutschern und schlechten Examenstagen zu relativieren. Diese Anforderungen zusammenfassend könnte das Examen wie folgt strukturiert werden:

  • 2 Klausuren aus dem Strafrecht (Gutachten und Urteil/Schriftsatz)
  • 4 Klausuren aus dem Zivilrecht (Gutachten, Urteil, Schriftsatz, Rechtsgestaltung)
  • 2 Klausuren aus dem Öffentlichen Recht (Gutachten Urteil / Schriftsatz / Bescheid)
  • 1 Klausur aus dem Arbeitsrecht
  • 1 Klausur aus dem Steuerrecht
  • 1 wissenschaftliche Abhandlung zu einem Thema (dabei mehrere Themen zur Wahl)

Insbesondere die letzte Klausur würde erstmalig (von sporadischen Themenklausuren in einigen Ländern abgesehen) ganz dezidiert prüfen, ob ein Studierender in der Lage ist, in kurzer Zeit eine ihm gestellte wissenschaftliche Frage zu verstehen, das geltende Recht daraufhin zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies würde den wissenschaftlichen Anspruch, der in jedem der reglementierten juristischen Berufe in der Praxis immer wieder erforderlich ist, auch im Staatsexamen berücksichtigen. Das immer wichtigere Europarecht sollte in den jeweiligen Gebieten mit zum Prüfungsstoff gehören, gegebenenfalls in Form von Zusatzfragen.

Die Erhöhung der Klausurenzahl als solche ist im übrigen mitnichten eine größere Belastung der Studierenden. Nicht das Examen selbst ist deren Schreckgespenst, sondern die Vorbereitung darauf und die Zufälligkeit des Ergebnisses, die mit sinkender Klausurenzahl sogar noch steigt, weil weniger Themen abgefragt werden und ein Ausrutscher einen umso größeren Einfluss gewinnt. Wenn aber viel gefordert wird, dann sollte diese Vielfalt auch tatsächlich abgefragt werden.

Eine größere Belastung wäre es jedoch, würden die elf Klausuren nunmehr binnen von drei Wochen abgeprüft. Dies muss jedoch nicht sein. Vernünftig wäre ein Aufteilen des Examens auf zwei Blöcke, zwischen denen ungefähr ein Vierteiljahr liegen sollte. Dies würde zugleich eine etwas konzentriertere Vorbereitung auf die jeweiligen Inhalte ermöglichen, ohne zugleich den Charakter der punktuellen Prüfung am Ende des Studiums zu zerstören. Hier ließen sich das Zivilrecht, das Arbeitsrecht und das Steuerrecht vom Öffentlichen Recht, dem Strafrecht und der wissenschaftlichen Arbeit trennen.

Da zu Recht die Vergleichbarkeit der Leistungen als großer Vorzug des Staatsexamens hervorgehoben wird, sollte im Rahmen einer Reform weiter darüber nachgedacht werden, ob man nicht noch den logischen Schritt weiter geht, und sich länderübergreifend auf ein einheitliches Staatsexamen einigt, das sich lediglich durch Länderklausuren im Öffentlichen Recht unterscheidet. Dieses könnte von den Justizprüfungsämtern gemeinsam gestellt und dezentral administriert werden. Der ungeheure Aufwand für die Erstellung der Prüfungsaufgaben würde auf Länderebene reduziert, gleichzeitig könnten die einheitlichen Aufgaben mir noch größerer Sorgfalt erarbeitet und die Korrekturhinweise um alternative Lösungen ergänzt werden. Schließlich würde mit einem Schlag die Diskussion um die unterschiedliche Aussagekraft der Landesnoten beendet werden und es gäbe sie wirklich, die bundesweite Vergleichbarkeit der Examensnoten. Diese würden zugleich die bundesweite Vergleichbarkeit der Hochschulen verbessern und den Studierenden die Möglichkeit geben, sich die für sie beste Hochschule auszusuchen, unabhängig davon, in welchem Bundesland diese beheimatet ist.

Im Rahmen der mündlichen Prüfung könnte noch über eine Änderung nachgedacht werden, die vor allem psychologischen Charakter hat: Die im anonymen schriftlichen Prüfungsverfahren erreichte Leistung könnte als Mindestnote stehen bleiben, die dem Prüfling auch durch eine schlechte mündliche Prüfung nicht mehr zu nehmen ist. Denn er oder sie hat diesen Leistungsnachweis nachweislich erbracht. Die mündliche Prüfung kann nicht schlechter machen, was gut war. Insbesondere dann nicht, wenn eine erhöhte Klausurenzahl die Zufälligkeiten der Examensnote weiter reduziert. Die mündliche Prüfung würde allein zur Verbesserung der Note dienen – natürlich nur, wenn der Prüfling dies rechtfertigt. Dies würde im Ergebnis vermutlich zu leicht höheren Gesamtnoten führen (etwa im Bereich eines halben Punktes), zugleich aber ungemein beruhigend auf die Prüflinge wirken und diese dadurch gleichermaßen zu besseren Prüfungsleistungen ermutigen. Ziel der Examensprüfung ist letztlich nicht das Abprüfen des Umgangs der Kandidaten mit Prüfungsangst, sondern die möglichst von zusätzlichem künstlichem Druck befreite Überprüfung des vorhandenen Wissens.

Vor dem Hintergrund des so bereits deutlich erweiterten Prüfungsstoffes erscheint das Wahlfach oder der Schwerpunkt entbehrlich. Schon jetzt suggeriert er eine Spezialisierung der Studierenden, die in Wirklichkeit so im Studium zumeist gar nicht stattgefunden hat, sondern in der Praxis in den meisten Bundesländern vor allem auf die Zeit zwischen schriftlicher und mündlicher Prüfung reduziert wird, in der sich die Prüflinge schnell und oberflächlich in ein Thema einlesen.

Soweit Hochschulen bereits – insbesondere im Gefolge der letzten Reform – Schwerpunktbereiche gebildet haben, können und würden diese nahtlos in die neuen Masterstudiengänge münden. Die in den vergangenen Jahren geleistete Aufbauarbeit der Fakultäten war also nicht vergebens. Der bisherige Hochschulteil der neuen ersten Prüfung wird Magisterstudium mit eigener Prüfung – jedoch nicht für alle Absolventen des grundständigen Studiums, sondern nur für die besten und die interessiertesten.

Ein solches Einheitliches Juristisches Staatsexamen würde die Anforderungen, die heute an das zweite Staatsexamen gestellt werden, umfassend erfüllen. Es würde jedoch zur richtigen Zeit kommen, nämlich am Ende der theoretischen Ausbildung. Auch das heutige zweite Staatsexamen ist kein praktisches Examen (es werden Klausuren geschrieben), sondern die Überprüfung der Theorie der Praxis. Diese sollte im Interesse einer effektiven praktischen Ausbildung jedoch vor dieser vermittelt werden. Dies würde hiermit erreicht und damit die Qualität des Referendariats maßgeblich gesteigert.

 

4. Schritt: Das Magisterstudium erlaubt eine Spezialisierung in praxisnaher wie wissenschaftlicher Hinsicht. Die Hochschulen erhalten ein Höchstmaß an Freiheit bei der Gestaltung des Magisterstudienganges, der deutschen wie ausländischen Absolventen grundsätzlich offensteht.

Was heute Schwerpunktausbildung ist, würde morgen – mit noch größeren Freiräumen – Magisterausbildung der Hochschulen sein. Hier bietet sich die Möglichkeit zur Differenzierung, zur Profilierung, zur stärkeren Betonung der Wissenschaft und zur wissenschaftlichen Begleitung der Praxis. Anders als jetzt, wo die Zahl der Schwerpunktstudiengänge durch die staatliche Prüfungsordnung beschränkt ist, könnte eine Vielzahl von verschiedenen Master-Studiengängen von den Hochschulen entwickelt werden.

Diese könnten besondere Titel tragen, sie könnten auf bestimmte Berufsfelder (stärker anwendungsorientiert, bspw. Medienrecht oder Immobilienrecht) oder Forschungsbereiche (stärker wissenschaftsorientiert, bspw. Rechtsgeschichte oder Rechtsvergleichung) vorbereiten. Die Magisterarbeit wäre ein erster ernstzunehmender und anspruchsvoller wissenschaftlicher Ausweis des Studierenden. Wer an einer deutschen Hochschule promoviert werden möchte, sollte einen Magister vorweisen können. Der Wettbewerb der Hochschulen um die kreativsten Masterprogramme würde national, vor allem aber auch international verstärkt. Dadurch würden die Teilnehmer dieser Programme internationaler, auch Kurse in Fremdsprachen sind denkbar.

Hier sollten die Hochschulen ein Höchstmaß an gestalterischer Freiheit erhalten – im Rahmen der zu erfolgenden Akkreditierung, die aber vor allem Mindeststandards sichern muss und nicht zu einer Fesselung der Hochschulen führen darf. Aus Sicht der reglementierten juristischen Berufe sind an das Magister-Studium jedenfalls keine spezifischen Anforderungen zu stellen.

 

5. Schritt: Bachelor und Master bauen nicht zwingend chronologisch aufeinander auf, sondern erlauben ein verschränktes Studium, d.h. es können Leistungen für den Magisterabschluss bereits vor Erlangung des Bachelors erbracht werden.

Die Existenz einer Einheitlichen Juristischen Prüfung birgt ein spezifisches Problem für das Magisterstudium. Dieses Problem ist nicht neu, es besteht schon seit langem beim Wahlfach und nunmehr verschärft bei dem umfangreicheren Wahlschwerpunkt. Die unmittelbare Zeit vor der Staatsprüfung ist angefüllt mit umfangreicher Wiederholung des ganzen Lehrstoffes. Sie ist die denkbar schlechteste Zeit für ein (neues) Spezialstudium in Form eines Magisters oder Masters.

Dem ist dadurch zu begegnen, dass das Magisterstudium nicht als kompakter Jahreskurs aufzufassen ist, sondern vielmehr als definierte Summe von zu erbringenden Leistungen (60 ECTS-Punkte, darunter insbesondere eine wissenschaftliche Magisterarbeit, die im Rahmen eines Seminars erbracht werden kann und sollte). Wann diese Leistungen zu erbringen sind, sollte dem Studierenden nicht zwingend vorgeschrieben werden. Wer bereits ab dem 3. Semester fortlaufend rechtsgestaltende Veranstaltungen besucht, der sollte die dadurch gesammelten Leistungspunkte in den „Master of Legal Drafting“ einbringen können, sofern sie nicht bereits in den Baccalaureus eingeflossen sind. Dies ließe dem Studierenden größtmögliche Freiheit und würde zugleich die Qualität der Magisterausbildung steigern. Ein Student könnte beispielsweise ein Drittel seiner Leistungspunkte sowie die Magisterarbeit als Seminararbeit vor der schriftlichen Staatsprüfung erwerben und die restlichen Leistungspunkte innerhalb eines halben Jahres nach der Prüfung – etwa in der Wartezeit auf die Ergebnisse des Examens oder aber während eines Auslandsaufenthalts an einer Partneruniversität – ansammeln. Hier, insbesondere beim Auslandsstudium, zeigt sich auch der wahre Sinn von Leistungspunkten und der Vorzug des Bologna-Prozesses: Die quantitative Vergleich- und Anrechenbarkeit von Studienleistungen über Ländergrenzen hinweg.

Fordert man einen qualifizierten Baccalaureus als Voraussetzung für die Erlangung eines Magisters, dann werden nicht alle Baccalaureus-Absolventen auch den Magister machen können. Es werden aber auch nicht alle den Magister erlangen wollen. Er dient zwar zur eigenen Profilierung und Spezialisierung, ist aber keine zwingende Zulassungsvoraussetzung für einen juristischen Beruf. Selbst eine Zulassungsquote zum Master von ca. 30 % würde daher kein Problem des Art. 12 GG darstellen.

 

6. Schritt: Der juristische Vorbereitungsdienst wird verkürzt auf ein Jahr (zuzüglich Urlaub), zugleich wird die Arbeitsleistung der Referendare deutlich erhöht. Die erfolgreiche Teilnahme am Vorbereitungsdienst führt zur Befähigung zu den reglementierten juristischen Berufen.

Der Vorbereitungsdienst besteht aus ca. vier Stationen von je drei Monaten, in denen volle Präsenz und volle Leistung anhand eines konkreten Ausbildungsplanes gefordert sind, die anhand von Arbeitsberichten und Zeugnissen zu dokumentieren sind. Eine Station sollte bei einem Richter, eine bei einem Rechtsanwalt, eine weitere im Gesamtbereich der deutschen Justiz (wieder Richter, Rechtsanwalt, aber auch Notar, Behörde, Kammer oder das „Speyer-Semester“) abgeleistet werden. Eine Wahlstation schließlich sollte den Referendaren alle Freiheiten einräumen und auch im Ausland verbracht werden können. Außerdem sollten die für die Persönlichkeitsbildung des angehenden Juristen (Schlüsselqualifikationen) überaus lehrreichen Sitzungsvertretungen bei der Staatsanwaltschaft von allen Referendaren und parallel zur sonstigen Ausbildung über die gesamte Zeit abgeleistet werden, so dass zugleich die Staatsanwälte eine signifikante Entlastung verspüren. Diese rechtfertigt zusätzlich, dass die Vergütung für diesen Ausbildungsabschnitt bei deutlich geringerer Gesamtbelastung weiterhin aus Steuermitteln erfolgt.

Kompakte Blockkurse bereiten auf die jeweiligen Ausbildungsstationen vor (jeweils eine Woche, vormittags Unterricht, nachmittags Eigenstudium, kleine (Wissens–) Abschlussprüfung).

Ähnlich der bereits geschilderten Praktika während des Studiums sollten auch die Stationen im Referendariat nicht nur mit einem qualifizierten Zeugnis belegt werden, sondern zugleich mit einem Arbeitsbericht des jeweiligen Referendars. Ein solches System wird bereits im Rahmen der DAV-Anwaltsausbildung vollzogen und findet sich gleichermaßen in den Vorschlägen der Bundesrechtsanwaltskammer zur anwaltsorientierten Juristenausbildung. In Baden-Württemberg ist es sogar bereits verpflichtender Bestandteil der Anwaltsstationen des reformierten Referendariats und hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Ein Berichtsheft dient nicht zuletzt auch dem Referendar zur Strukturierung und Verfestigung seiner Erfahrungen und Erkenntnisse. Es sollte zugleich für jede Station ein Anforderungskatalog erstellt werden, der vor allem auch dem Ausbilder eine Hilfestellung gibt, was er seinem Referendar beibringen sollte. Dieser Katalog ist dann mit erledigten Aufgaben zu versehen und von Ausbilder und Referendar jeweils abzuzeichnen. Arbeitsbericht/Leistungsnachweis und Zeugnis stellen zusammen den Nachweis dar, dass das Referendariat erfolgreich abgeschlossen wurde. Wird dieses Ziel in einer Station nicht erreicht, weil ein Zeugnis nicht ausreichend ist, muss die Station wiederholt werden, um den Zugang zu den reglementierten juristischen Berufen zu erlangen. Es ist also nicht so, dass es im Referendariat ohne zweites Staatsexamen keine Erfolgskontrolle gibt. Diese liegt jedoch nicht in einer weiteren theoretischen Prüfung, sondern in der Erfüllung ganz konkreter praktischer Anforderungen.

Der formale Abschluss des Vorbereitungsdienstes ist folglich die Erteilung einer Urkunde mit der Ernennung zum Assessor, in dem die einzelnen Stationen aufgelistet und der erfolgreiche Abschluss des Referendariat bescheinigt werden. Es ist von der Justizbehörde auszustellen, sobald Zeugnisse und Arbeitsberichte vorliegen und auf Evidenz überprüft worden sind. Es geht hier vor allem darum, „Tauchstationen“ und offensichtliche Missbräuche möglichst umfassend zu verhindern. Das "Interesse" an solchen Umgehungen wird im übrigen schlagartig wegfallen, wenn es keine weitere Prüfung gibt, auf die vorzubereiten sich erst durch den Praxisboykott zusätzliche Zeit gewinnen lässt. Da die Referendare bereits alle theoretischen Leistungen erbracht und Prüfungen absolviert haben, wissen sie, dass es jetzt um die konkrete Berufswahl und –vorbereitung geht. Wollen sie Anwalt werden, müssen sie jetzt die nötigen Praxiserfahrungen sammeln, die nötigen Kontakte knüpfen, den Nachweis ihrer praktischen Fähigkeiten erbringen. Während bisher die große Hürde des Zweiten Staatsexamens den Blick auf die eigene berufliche Zukunft viel zu lange versperrt, liegt diese jetzt unmittelbar vor den Referendaren.

Eine Nachforschungs- und Überprüfungspflicht sollte daher allenfalls in konkreten Verdachtsfällen bestehen. Eine Gesamtnote des Referendariats erscheint nicht angezeigt, um die Bedeutung der Zeugnisse in Anbetracht der immer auch sehr subjektiven und schwer überprüfbaren Benotungen nicht überzubewerten und letztlich eine Fehlsteuerung bei der Ausbilderwahl zu vermeiden, weg vom guten Ausbilder und hin zum großzügigen Notengeber.

Die Einzelzeugnisse sollten binnen 2 Wochen nach Ende jeder Station, das Assessorzeugnis sollte dann binnen von 4 Wochen nach der letzten Station überreicht werden. Damit ist die Befähigung zur Aufnahme eines der reglementierten juristischen Berufe nachgewiesen.

Auf ein zweites Staatsexamen kann und muss nach diesem Modell verzichtet werden. Nur dieser Verzicht ermöglicht die volle Konzentration auf die Arbeit in der Praxis. Die Inhalte sind zudem bereits in der Einheitlichen Juristischen Staatsprüfung abgeprüft worden. Der Vorbereitungsdienst wird nicht nur in der Theorie, sondern vor allem in der Praxis wieder zu dem, was er sein soll: Ein praktischer Vorbereitungsdienst, der für den angehenden Volljuristen sogar deutlich mehr Ausbildungszeit umfasst als das heutige zweijährige Referendariat.

 

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