Beispiele für Studienverläufe nach dem neuen 4-Stufen-Modell (Ausschnitte aus dem Logo als Illustration)

Da jedes Konzept erst in der konkreten Umsetzung Gestalt annimmt, sollen im Folgenden einige exemplarische Studienverläufe auf Basis des 4-Stufen-Modells dargestellt werden. Sie zeigen, wie vielfältig die beruflichen Möglichkeiten für Studierende der Rechtswissenschaften sind, wenn ihnen ein gestuftes Studiensystem zugrunde liegt, das für alle Bedürfnisse die richtigen Module bereitstellt.

 

Denn niemand muss zwingend volljuristisch tätig werden, nur weil er oder sie Jura studiert hat. Und umgekehrt schadet ein Jurastudium mit seiner Ausbildung zum logischen Denken und Argumentieren ganz sicher auch denjenigen nicht, die gar nicht volljuristisch tätig werden wollen.

 

Früher schien dies jedem klar. Nicht ohne die den Juristen nicht völlig ferne Arroganz sagte man, dass ein Jurist alles werden könne. Aber da ist etwas dran. Der Zwang zum analytischen Denken, die Notwendigkeit auch sprachlicher Präzision, das Ringen um Gerechtigkeit im Rahmen von Rechtssicherheit sind Kompetenzen, die nicht nur in der Juristerei von Hilfe sind.

 

Deshalb beginnen die Beispiele auch bewusst nicht mit dem klassischen Volljuristen im Staatsdienst. Denn er stellt bereits heute die deutliche Minderheit unter allen Absolventen der juristischen Ausbildung dar:

Das eigene Start Up: A studiert Jura ohne klaren Berufswunsch, weil sie glaubt, damit für alle Berufe eine gute Ausgangsbasis erlangen zu können. Sie wählt eine Hochschule, die einen starken Fokus auf wirtschaftliche Zusammenhänge legt und deren Baccalaureus Juris einen 20%igen Anteil von praxisnahen Wirtschaftsveranstaltungen beinhaltet. Unter anderem besucht sie ein Seminar zur Unternehmensgründung.

 

Mit Kommilitonen aus anderen Fakultäten entwickelt sie bereits während des Studiums ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Nach dem Abschluss machen sich die Studienfreunde selbständig und gründen ein eigenes Unternehmen.

 


Doch nichts mit Jura: B liebt die Kunst, studiert jedoch Jura, weil sein Vater, ein erfolgreicher Anwalt, dies von ihm verlangt. B solle einen richtigen Beruf ergreifen, keine brotlose Kunst. Auf dessen Schwierigkeiten mit der trockenen Materie reagiert der Vater mit dem Ratschlag, sein Sohn müsse nur richtig lernen, dann würde das schon klappen, so gehe es schließlich allen am Anfang. Aufgrund der Mindestanforderungen des Baccalaureus an seiner Hochschule erfährt B jedoch nach eineinhalb Jahren, dass er praktisch keine Chance mehr hat, die erforderlichen Punkte zum Bestehen des zweiten Studienjahres und damit für ein Weiterstudieren zum Bachelor zu erlangen.

 

Dies überzeugt notgedrungen auch seinen Vater. B wechselt das Studienfach und studiert nun endlich an einer Kunsthochschule. Die erfolgreichen (Kunst)kurse, die er als Wahlfächer neben der leidigen Juristerei belegt hat, werden ihm nun voll angerechnet, weil es sich um einen kompatiblem Bachelor-Studiengang handelt. B wird ein erfolgreicher Illustrator. Weil er noch genau weiß, wie schwer es damals war, nur durch Worte zu lernen, gestaltet er eines Tages in Zusammenarbeit mit einem alten Kommilitonen aus dem Jurastudium sogar ein rechtswissenschaftliches Lehrbuch.

 


In die Wirtschaft. Oder den Wirtschaftsteil: C und D beginnen ihr Jurastudium ohne konkretes Berufsziel. Zwar erlangen sie sehr gute Noten, die verschiedenen Praktika während des Studiums machen ihnen jedoch mehr als deutlich, dass sie weder als Richter noch als Anwalt arbeiten möchten, weil ihnen beides zu sehr von den Konflikten anderer bestimmt ist. 

 

C absolviert als einer der 10 % Besten seines Jahrgangs den Baccalaureus Juris, bewirbt sich schon damit erfolgreich auf ein Trainee-Programm bei DaimlerChrysler und beginnt eine Karriere in der Wirtschaft, in deren Rahmen er nach einigen Berufsjahren noch einen MBA in den USA erwirbt.

 

D hat bereits während des  Studiums für eine Lokalzeitung geschrieben und bewirbt sich mit seinem Baccalaureus, in den sie zu 30 % auch philosophische und politologische Leistungen einbringen konnte, bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo sie kurz darauf ein Volontariat beginnt. Für einen Master of Investigative Journalism zieht es sie noch für ein Jahr nach Washington, bevor sie eine feste Anstellung als Redakteurin im Wirtschaftsteil der FAZ erhält.



Zum Strafgerichtshof nach Den Haag: D studiert Jura mit dem Wunsch, Strafverteidiger zu werden. Er wählt eine Hochschule mit Schwerpunkt im Bereich des Strafrechts und belegt schon während seines Studiums im Wahlbereich viele Kurse, die sich mit dem internationalen Strafrecht befassen. Er besteht den Baccalaureus seiner Hochschule und schneidet im Staatsexamen mit guten, wenngleich nicht herausragenden Noten ab.

 

Er beschließt daher, vor Beginn des Referendariats einen Master an der Universität von Den Haag zu machen. In seinem Referendariat wählt er seine Richterstation bei einem Strafrichter, erhält einen dreimonatigen Einblick in die Arbeit der Staatsanwaltschaft und verbringt je drei Monate bei einem renommierten Strafverteidiger und beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dort bewirbt er sich erfolgreich um eine ausgeschriebene Stelle.



In die Lehre und die Wissenschaft: E interessiert sich vor allem für die wissenschaftliche Seite der Juristerei. Er merkt während seines Studiums, dass er gerne an der Hochschule bleiben möchte. Auch macht ihm schon das "Unterrichten" in seiner privaten Arbeitsgemeinschaft großen Spaß. Einem hervorragenden Baccalaureus lässt er ein exzellentes Staatsexamen folgen.

 

Das Referendariat teilt er sich bewusst auf, um möglichst viel unmittelbare Praxiserfahrung in seine spätere Lehre einbringen zu können: Gerichtsstation beim Landgericht, Anwaltsstation in einer Wirtschaftskanzlei, eine Station bei einem Notar und schließlich eine Station bei einem französischen Anwalt. Zurück in Deutschland erwirbt er einen Master im Internationalen Erb- und Familienrecht und baut seine Masterarbeit zur Promotion aus. Er erhält eine Stelle als Assistent und habilitiert sich. E wird ein erfolgreicher Professor der Rechtswissenschaften.



Zur erfolgreichen eigenen Kanzlei: F stellt während des Studiums fest, dass eine große Kanzlei nicht das richtige für ihn ist. Er möchte nach seinem eigenen Stil tätig sein, vorher aber möglichst viel Erfahrung bei anderen Anwälten sammeln. Daher absolviert er bereits während des Studiums nicht nur die erforderlichen vier, sondern sechs Praktika, davon vier bei verschiedenen Anwälten. Er hat nun bereits eine gute Vorstellung davon, wie seine eigene Kanzlei aussehen soll.

 

Nach Baccalaureus und einem ordentlichen Staatsexamen wählt er eine neunmonatige Station bei einer kleinen 2-Mann-Kanzlei, deren Stil ihm im Praktikum gut gefallen hat. Daneben besucht er die Anwalts-Grundkurse, die von Bundesrechtsanwaltskammer und Deutschen Anwaltverein angeboten werden. Nach Abschluss des Referendariats arbeitet er bei der gleichen Kanzlei für drei Jahre als angestellter Anwalt, bevor er als Partner aufgenommen wird.



In den Richterdienst: G schätzt die Unabhängigkeit und Flexibilität des Richterberufes. Sie absolviert Baccalaureus, Staatsexamen und Referendariat, in dem sie zur Absicherung ihrer Entscheidung drei verschiedene Stationen am Strafgericht, einem Familiengericht und einer Kammer für Handelssachen absolviert. Ihr Berufswunsch verfestigt sich, sie bewirbt sich noch vor Beginn ihrer Anwaltsstation auf eine Richterstelle und wird kurz nach Abschluss des Referendariats in den Staatsdienst aufgenommen.



In die internationale Wirtschaftskanzlei: H möchte gerne "die großen Räder drehen" und von ihren eigenen Fällen in der Zeitung lesen. Schon frühzeitig wird ihr während eines Praktikums bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei bewusst, dass dies für sie das Richtige ist. Sie legt bereits während des Studiums großen Wert auf Gesellschafts- und Steuerrecht, studiert ein Semester in England, lässt einem guten Baccalaureus ein ebenso gutes Staatsexamen folgen.

 

Sie verbringt nach einer Gerichtsstation bei einer Kammer für Handelssachen neun Monate bei der Kanzlei, die sie bereits aus dem Praktikum kennt. Mit dieser ist sie sich schnell einig. Sie arbeitet dort für zwei Jahre als angestellte Anwältin, wird dann für einen Master of International Company Law in den Vereinigten Staaten freigestellt, der ihr vollständig von der Kanzlei finanziert wird. Aus der Masterarbeit wird schließlich nach einem weiteren Jahr intensiver Arbeit (das ist sie aus ihrer Anwaltstätigkeit schon gewohnt) eine Dissertation, da ihr Arbeitgeber den Doktortitel für zwingend erforderlich hält. Fünf Jahre später ist sie Partnerin der mittlerweile mit einer englischen Law Firm fusionierten Großkanzlei.

 

In die internationale Politikberatung: F findet nicht nur die Anwendung von Rechtsnormen interessant, sondern noch viel mehr deren Schaffung. Wie lässt sich ein Gemeinwesen mit Hilfe des Rechts möglichst effizient und schlüssig organisieren? F möchte hier einen echten Beitrag leisten. Im Studium wählt F neben den juristischen auch soziologische, psychologische und volkswirtschaftliche Veranstaltungen. Dem sehr erfolgreichen juristischen Bachelor-Abschluss schließt er einen zweijährigen Master of Public Policy an der Harvard University an, bevor er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hertie School of Governance in Berlin promoviert. Danach wechselt er zu einem in London ansässigen Think Tank und berät internationale Regierungen im Bereich der wirksamen Rechtsetzung. 

 
 
Diese Beispiele haben gezeigt, welch vielfältige Möglichkeiten das hier vorgestellte modulare Studienkonzept den Studierenden bietet. Beliebige Variationen sind denkbar. Ihnen allen ist gemeinsam, dass Chancen eröffnet und nicht verbaut werden - und zwar für die guten wie für die weniger guten (deshalb aber eben auch nicht schlechten) Studierenden. Wer früh das Jurastudium abbrechen muss, hat die Chance, frühzeitig das für ihn oder sie richtige Studium zu ergreifen - und kann erfolgreiche Kurse sogar "mitnehmen". Niemand scheitert spät und endgültig. Alle Entscheidungen können zum bestmöglichen Zeitpunkt getroffen werden, also dann, wenn den Studierenden die nötige Informationsbasis zur Verfügung steht. Nicht früher, aber auch nicht später.

Die Beispiele zeigen ein weiteres: Der Beruf des Anwalts ist nur eine von vielen Möglichkeiten nach Abschluss des Jurastudiums. Ihn sollte nur ergreifen, wer ihn wirklich ergreifen möchte. Dies ist heute nicht immer der Fall. Anwalt zu werden, ist oftmals nicht die erste, sondern die einzige Wahl. Wer jedoch nicht ausreichend qualifiziert ist, sollte vorab spätestens an der Hürde Staatsexamen scheitern.

 

Wer eigentlich einen anderen Beruf ergreifen möchte, sollte umgekehrt möglichst früh in die Position versetzt werden, eben dies zu tun. Ab Erlangung des Baccalaureus bietet sich die Möglichkeit dazu. In dem vorgeschlagenen System würde sich die Zahl derer, die Anwalt werden, somit signifikant verringern. Jedoch nicht, weil man den Zugang zur Anwaltschaft verkleinert, sondern den zu allen anderen Berufen vergrößert.